Kulturpreis geht an die «geistige Tankstelle» von Sargans
Sie ist die Herrin einer eigenen kleinen Welt. Die Gebieterin über einen Raum der Geschichten hinter einer hellklingenden Türglocke. Die Hüterin von Romanen, Klassikern, Sach-, Koch- und Wanderbüchern, regionaler und lokaler Literatur, Postkarten, Spielen und pfiffigen Kinderbüchern. Sie ist die Wartin der «geistigen Tankstelle» von Sargans, wie Barbara Rosenbaum den Sarganser Buchladen in ihrer Laudatio liebevoll nennt. Die Rede ist von Bea Papadopoulos, der Geschäftsführerin jenes Buchladens, der seit den späten Siebzigern unmittelbar am Bahnhof Sargans zu finden ist.
Etwas versteckt liegt er zwar. Trotzdem wird er seit seiner Geburtsstunde von der breiten Bevölkerung weit über die Gemeindegrenzen hinaus wahrgenommen. So überrascht es nicht, dass auch die Kulturkommission von Sargans schon längst auf den liebevoll eingerichteten Laden neben dem Kiwi Kino Kastels aufmerksam geworden ist. Alle zwei Jahre verleiht die Kommission unter dem Vorsitz von Gemeinderat Roland Wermelinger den Gonzen-Kulturpreis. In diesem Jahr geht der Preis nun an den Laden an der Pizolstrasse 4.
Die Macht des geschriebenen Wortes
Wie aber soll man einem Buchladen danken? Ihn ehren und beglückwünschen? Rosenbaum ist sich sicher: «Dem Buchladen ist es egal.» Umso mehr würden mit dem Preis die Menschen gewürdigt, die den Sarganser Buchladen gegründet, vorangebracht und betrieben haben. Allen voran Bea Papadopoulos, die den Laden seit 2016 «mit Leidenschaft, Tatkraft und Initiative und vor allem furchtlos vor den zweifellos grossen Herausforderungen der Zukunft» führt. Die Laudatorin spricht damit die Buchmarktkrise an, die laut NZZ aber eine eigentliche Lesekrise sei. «Das Buch sei noch nicht am Ende. Das wollen wir gerne glauben.» Sie spricht damit auch die Schliessung von über 100 Buchhandlungen in den vergangenen 15 Jahren allein in der Deutschschweiz an. Oder die direkte Konkurrenz im Online-Handel.
Aber sie spricht auch von der Macht des geschriebenen Wortes. Von seiner unglaublichen Kraft. «Worte machen unseren Horizont weit, lassen neue Meinungen, Einstellungen und Ideen in unsere Köpfe sickern. Sie formen unsere Gedanken und lassen Bilder entstehen, denen man sich kaum entziehen kann.» Und sie spricht von dieser heilen Welt, über die Papadopoulos gebietet. «Wo man das Buch erst riecht, wenn es aus dem Plastik kommt, und es dann hört, sein leises Knacken, wenn es erstmals aufgeschlagen wird.» Und immer ist man begleitet von Bea Papadopoulos. Von ihr, die Bescheid weiss, einen einzunehmen vermöge und auch Zeit für den Austausch habe. «Ich bin unendlich dankbar, dass es einen solchen Ort gibt. Und ich schwöre Treue», schliesst Rosenbaum.
Wenn das Glöcklein klingelt
Bei der Übergabe des Gonzen-Kulturpreises zeigt sich Papadopoulos sichtlich gerührt. Schliesslich sei ihr kleines Reich mehr als nur ein Buchladen für sie. «Lesen war und ist meine Welt. Das Buch begleitet mich ein Leben lang», erklärt sie. Die Herausforderungen der Gegenwart seien nicht von der Hand zu weisen. Umso mehr freue sich Papadopoulos jedes Mal, wenn das Glöcklein am Eingang des Ladens klingelt. Sie selbst nennt ihren Buchladen liebevoll «Seelenapotheke». Und das nicht ohne Grund: «Wenn Leute sich im Laden öffnen können, ist das für mich das grösste Geschenk.» Ihr Dank geht darum nicht nur an die Kulturkommission für den Preis, sondern auch an ihre Kundinnen und Kunden, an die lokalen Bibliotheken, die bei ihr einkaufen, und besonders auch an die Familie, die ihr Herzensprojekt mit ihr mitträgt.
Zärtlich, witzig, inspirierend
Als Herzensprojekt kann auch das Buch «Zärtlechi Zunge» von Pedro Lenz betitelt werden, ist es doch nicht nur inspiriert von seinen Kindern und seiner Vaterrolle, sondern vom Leben selbst. Der Autor lässt an seiner Lesung im Anschluss an die Preisverleihung tief blicken, führt vorbei an Alltagsbegegnungen wie auf dem Kinderspielplatz, in der Kneipe oder im Zug, direkt hin zum Wochenbett seiner Kinder und zum Sterbebett seiner Mutter. Dabei zeigt er immer wieder und vor allem: «öppis derzwüsche». Bereits mit dem ersten Beispiel seiner Werksammlung holt er das Publikum im Landgerichtssaal vollends ab, trifft auch mit der Art, wie er die Texte vorträgt, mitten ins Schwarze, weiss von der ersten Minute weg zu fesseln und zu begeistern.
Die Preisträgerin, die Kulturkommission und die Anwesenden danken es ihm mit grosser Zustimmung, viel Gelächter und anhaltendem Applaus. Beim anschliessenden Apéro nutzen die Gäste im Innenhof des Schlosses nicht nur die Gelegenheit, um Papadopoulos zu Ihrer Auszeichnung zu gratulieren, sondern auch, um sich mit dem gefeierten Schweizer Autor auszutauschen und das Werk «Zärtlechi Zunge» von ihm persönlich signieren zu lassen. Es wird wohl einen Ehrenplatz im Sarganser Buchladen bekommen.
Weitere Bilder zu der Veranstaltung vom Samstag, 24. Mai, gibt es hier.