Vorgemeinde 2025 – eine Feuertaufe mit viel Interaktion
83 Tage nach seinem Amtsantritt hat für Gemeindepräsident Stefan Kohler erstmals die Stunde der Wahrheit geschlagen: An der Vorgemeinde, die alljährlich im Vorfeld der Bürgerversammlung stattfindet, ist er am Dienstag erstmals in seinem neuen Amt vor die breite Bevölkerung getreten. Für Roger Steinmann, Parteipräsident der FDP Sargans und Moderator des Abends, eine gute Gelegenheit, um kurz innezuhalten und Kohler nach seinem Befinden zu fragen. „Von ‚A‘ wie Amphibienleitwerk bis ‚Z‘ wie Zirkularbeschluss gefällt mir an meiner neuen Tätigkeit wirklich alles“, fasste Kohler vor einer voll besetzten Aula im Oberstufenzentrum Sargans zusammen, ehe er sich den Zahlen und Fakten von Jahresrechnung 2024 und Budget 2025 widmete.
Diese stellte er kurz und sec vor, verwies auf die Besserstellung des Jahresabschlusses aufgrund höherer Steuereinnahmen, auf den anhaltenden Trend der Liegenschaftsverkäufe, auf geplante Investitionen, den Steuerfuss und die Verschuldung und schliesslich auf die Jahresrechnung 2024, die im März veröffentlicht wurde und alle Zahlen ausführlich zusammenfasst. Steinmann kommentierte am Ende treffend: „Es gibt einiges zu tun. Ich sehe hier aber nicht Probleme, sondern Herausforderungen.“
Ein Mandat und eine klare Linie
Im Anschluss erhielten alle Mitglieder des Gemeinderats ein Zeitfenster, um vor dem Plenum auf ihre aktuellen Projekte hinzuweisen. Den Anfang machte wiederum der Gemeindepräsident, der ohne Umschweife auf den grössten Investitionsposten im aktuellen Rechnungsjahr zu sprechen kam: Den Neubau des Kindergartens Malerva, veranschlagt mit 4 Millionen Franken. Weder die begonnenen Bauarbeiten noch das Schulprovisorium, das bis zur Fertigstellung des Schulhauses Malerva in vier Jahren benötigt wird und nach einer ungenutzten Einsprachefrist nun definitiv auf dem Areal des Schulhauses Kastels zu stehen kommen wird, gaben zu reden. Vielmehr griff Kohler proaktiv eine Thematik auf, die im Zusammenhang mit dem Bauprojekt Malerva seit einigen Tagen und Wochen zu reden gibt: Die Vergabe eines Mandats als Bauherrenberater an den ehemaligen Gemeindepräsidenten Jörg Tanner.
Kohler führte aus, dass das Arbeitsverhältnis mit der früheren Bauherrenvertreterin Gantenbein und Partner AG im August 2023 aufgelöst wurde und Jörg Tanner daraufhin während seiner restlichen Amtszeit bis am 31. Dezember 2024 die Rolle des Baukommissionspräsidenten Schulraumplanung und damit auch die Bauherrenvertretung interimistisch übernahm. „Tanner stellt seine Erfahrung und Expertise auch für die weitere Bauzeit zur Verfügung“, erklärte Kohler. Vom Mehrwert von dessen Fachwissen überzeugt, habe die Baukommission beim Gemeinderat einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser sehe in der Besetzung durch Tanner die Gewährleistung eines nahtlosen Wissenstransfers. „Gerade Tanners bisherige Tätigkeit als Gemeindepräsident kann für den weiteren Verlauf des Projekts von Bedeutung sein, ermöglicht sie doch trotz Neubesetzungen eine zügige Projektfortführung ohne wesentliche Verzögerungen.“
Tanner habe ein ähnliches Mandat bereits beim Sanierungsprojekt des regionalen Pflegezentrums in Mels ausgeführt. Sein Netzwerk zu kantonalen Stellen könne bei Themen wie der Bachöffnung, der Archäologie, den Strassenklassierungen, Werkleitungen, usw. von Vorteil sein. Punkto Finanzierung wies Kohler darauf hin, dass die Bauherrenvertretung im Baukredit enthalten sei, weshalb keine Ausschreibung erfolgte. „Tanners Engagement erfolgt im Übrigen zu einem sehr tiefen Tarif. Es handelt sich um einen Aufwand von vier bis sechs Stunden pro Woche mit abnehmender Tendenz. Selbst wenn wir das über die gesamte Bauzeit rechnen, bewegen wir uns immer noch im ‚freihändigen Verfahren‘.“
Der Gemeinderat sei sich durchaus bewusst, dass dieser Auftrag, auch wenn er zeitlich befristet ist, als „Mauschelei“ aufgefasst werden könne. Dafür hätten die Ratsmitglieder auch Verständnis. Kohler findet aber klare Worte: „Im vorliegenden Fall ist der Gemeinderat auch im Sinne der Steuerzahlenden nicht bereit, auf die beste, effizienteste und kostengünstigste Lösung zu verzichten, nur um keine Kritik zu riskieren.“ Schliesslich gehe es hier klar um die Sache und nicht um die Person.
Eine breite Palette für alle Ressortleiter
Die Ausführungen zur Arealentwicklung Tiefriet und zum Bildungszentrum Sarganserland waren im Anschluss weit weniger ausführlich. Kohler machte Platz für seinen Amtskollegen und Schulratspräsident Bernhard Hauser, der in seinen Voten unter anderem die Schülerzahlen und den Schulraumbedarf thematisierte. „Die Schülerzahlen steigen so rasant, dass wir jedes Jahr eine neue Klasse eröffnen müssen. Dieses Jahr sind es sogar drei Klassen, Einschulungsklasse inklusive“ – und täglich grüsst das Murmeltier.
Ratskollegin Andrea Büsser, Ressort Soziales und Sicherheit, machte auf die Sportaktion „Active City“ aufmerksam, die im Sommer in die dritte Runde gehe und eine Strahlkraft auf den ganzen Kanton St. Gallen geniesse. „Leute von überall reisen an, um gemeinsam aktiv zu sein.“ Weiter berichtete sie über den geplanten Rettungsstützpunkt in Wangs und eine neue Baukommission Alterszentrum, die temporär ins Leben gerufen wurde, um sich der Zukunft der Küche, der Cafeteria und anderen Räumlichkeiten des „Castelsriet“ anzunehmen.
Roland Wermelinger, Ressort Verkehr und Gesellschaft, informierte über die Baufortschritte auf verschiedenen Verkehrsachsen, etwa auf der St. Gallerstrasse, wo vom Schwefelbadplatz bis Vild etappenweise eine Belagssanierung erfolgt. Oder auf der Zürcherstrasse, wo noch vor den Sommerferien der lärmmindernde Belag eingesetzt werden soll. Oder auf der Pizolstrasse, wo die Strassenraumgestaltung bald aufliegt. Auch hob er das Schloss Sargans hervor, das seit der Gründung der Stiftung sehr erfolgreich unterwegs sei, im vergangenen Jahr ganze 8000 Eintritte und drei Mal mehr Führungen als bisher verbuchte.
Den Kreis schloss Christian Lamm, Ressort Baurecht und Umwelt. Er berichtete über den Stand der Arbeiten bei der Revision von Baureglement, Richt- und Ortsplanung – und betonte, dass sich die verantwortlichen Personen Qualität auf die Fahne geschrieben hätten. Und er schloss mit guten Neuigkeiten: In den vergangenen Jahren sei in Sargans der Einsatz von Photovoltaik stark vorangetrieben worden. Das stimme nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Rezertifizierung als Energiestadt im kommenden Herbst zuversichtlich.
Wichtige Fragen und Schwarmintelligenz
Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger nutzten im Anschluss die allgemeine Umfrage, um jene Themen anzusprechen, die unter den Nägeln zu brennen scheinen. Da war einerseits die Frage nach den hohen Steuerfüssen in der gesamten Region Sarganserland im Vergleich zu Nachbarregionen. Und da war andererseits der Wunsch nach Aufklärung in Sachen „Festival der Kulturen“. Aus der Jahresrechnung ist zu entnehmen, dass die Veranstaltung von vergangenem Sommer ein Defizit von fast 25 000 Franken eingefahren und dass die Gemeinde dieses Defizit übernommen hat. Der Grund für Ersteres lag laut Gemeinderätin Büsser an einer falschen Budgetierung und Kalkulation, der Grund für zweiteres an einer Defizitgarantie, die der Gemeinderat im Vorfeld an die Veranstaltung beschlossen hatte. „Wir haben aber bereits Massnahmen ergriffen“, versicherte Büsser.
Damit schloss der offizielle Teil der Veranstaltung und die Ratsmitglieder verteilten sich im gesamten Eingangsbereich des OZ Sargans. Ein Marktplatz-Konzept der organisierenden FDP-Ortspartei sah nämlich vor, dass die anwesenden Bürgerinnen und Bürger im Anschluss während rund einer Stunde einen Apéro geniessen und in ungezwungener Atmosphäre von „Marktstand“ zu „Marktstand“ schlendern und den Mitgliedern von Gemeinde- und Schulrat sowie einigen Amtsleitern der Gemeindeverwaltung im persönlichen Austausch Fragen stellen konnten. Und die Bürgerschaft folgte Steinmanns Aufruf: „Sprecht miteinander, interagiert, diskutiert, regt an und wirkt mit.“
Weitere Bilder zur Vorgemeinde 2025 sind unter diesem Link einsehbar.